ist der heute verwendete Name eines nationalsozialistischen Konzentrationslagers nördlich von Nordhausen im heutigen Bundesland Thüringen. Das Lager „Dora“ am Südhang des Kohnsteins bei Niedersachswerfen war größter Einzelstandort sowie Sitz der Kommandantur des im Herbst 1944 neu organisierten„KZ Mittelbau“. In diesem Lager wurden Häftlinge interniert, die beim Ausbau und Betrieb der unterirdischen Rüstungsfabrik Mittelwerk GmbH in der Stollenanlage im Kohnsteineingesetzt waren. Auf dem Gelände des ehemaligen Hauptlagers befindet sich heute die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora.
Die Entwicklung des Konzentrationslager-Komplexes KZ Mittelbau im Harz steht in engem Zusammenhang mit der Untertageverlagerung der deutschen Rüstungsindustrie während des Zweiten Weltkriegs. Dabei griff man, sofern möglich, auf bereits bestehende unterirdische Bauten zurück. Eine solche Anlage stellten die Stollen unter dem Kohnstein in Niedersachswerfen bei Nordhausen dar, die ab Mitte der 1930er Jahre entstanden und ursprünglich als unterirdisches Treibstofflager der Wehrmacht vorgesehen waren. Bis zum Herbst 1942 war das Stollensystem provisorisch fertiggestellt. Die Bauvorhaben im Kohnstein wurden ständig ergänzt und erweitert.
Nach der Bombardierung der Heeresversuchsanstalt Peenemünde durch die Royal Air Force (RAF) in der Nacht vom 17. zum 18. August 1943 trafen Adolf Hitler, Rüstungsminister Albert Speer und Reichsführer SSHeinrich Himmler die Entscheidung, auch die Arbeiten an der „V2“-Rakete sowie der „V1“-Flugbombe von Peenemünde unter Tage zu verlagern. Als künftiger Standort des Raketen-Fertigungswerks wurde die Stollenanlage im Kohnstein im Harz ausgewählt. Im September 1943 erhielt Hans Kammler zudem den Auftrag, das Peenemünder Entwicklungswerk in eine neu zu errichtende Stollenanlage bei Ebensee in den Alpen zu verlagern. Für die Einrichtung dieser Anlagen wurde in großem Umfang der Einsatz von KZ-Häftlingen vorgesehen, die vor Ort in eigenen Außenkommandos stationiert und von der SS bewacht wurden.
Mit dem Ausbau der Stollenanlage im Kohnstein zur unterirdischen Raketenfabrik Mittelwerk wurde die WiFo als Eigentümerin beauftragt; die Fertigung der Raketen nach den Vorgaben der Heeresversuchsanstalt Peenemünde wurde der eigens dafür ins Leben gerufenen halbstaatlichen „Mittelwerk GmbH“ übertragen, die erst nachträglich am 24. September 1943 offiziell als Unternehmen gegründet wurde.
Umbau der Stollen zur Rüstungsfabrik
Der Umbau der Stollenanlage zur Produktionsstätte dauerte vom Spätsommer 1943 bis Anfang 1944. Für den Einsatz der KZ-Häftlinge am Kohnstein wurde vom KZ Buchenwaldein Außenkommando mit der Tarnbezeichnung „Arbeitslager Dora“ ins Leben gerufen. Der erste Häftlingstransport mit 107 Häftlingen erreichte den Berg am 28. August 1943, zehn Tage nach der Zerstörung der Anlagen in Peenemünde und noch vor der formellen Gründung der als Betreibergesellschaft vorgesehenen Mittelwerk GmbH.
Allein bis Ende 1943 wurden insgesamt 11.000 KZ-Häftlinge zum Kohnstein verbracht. Vordringlichste Aufgabe der Häftlinge in den Stollen unter dem Kohnstein war der Umbau des bestehenden Treibstofflagers zu einer Raketenfabrik sowie anschließend die schrittweise Erweiterung der Tunnelanlagen nach Bedarf der beteiligten Rüstungsunternehmen. Sämtliche Arbeiten wurden durch die Häftlinge ausgeführt, meist ohne besondere Transport- oder Hilfsmittel. Zunächst wurden die Böden in den Stollen betoniert, Straßen gebaut, Gleise verlegt, weitere Kammern angelegt und die großen Produktionsmaschinen eingebaut. Zur Erweiterung der Anlage mussten die Häftlinge zwei parallel laufende Haupttunnel, genannt Fahrstollen A und Fahrstollen B, in den Berg treiben, die jeweils etwa 1800 Meter lang waren und eine Höhe von etwa 30 Metern hatten. In den Fahrstollen, die mit 46 quer laufenden Tunneln miteinander verbunden waren, wurden Eisenbahnschienen verlegt, um die für die Produktion benötigten Teile in die unterirdische Fabrik sowie die fertiggestellten Raketen hinauszutransportieren. Die Gesamtlänge aller Tunnel betrug im Mai 1945 etwa 20 Kilometer, die Gesamtfläche lag bei über 250.000 Quadratmetern. Die Häftlinge errichteten zudem einen Frachtenbahnhof nahe den südlichen Tunneleingängen sowie eine Eisenbahnbrücke über die Zorge, so dass das Stollensystem einen Gleisanschluss zur Bahnstrecke Northeim–Nordhausen erhalten konnte.
Von Anfang an waren die Lebensbedingungen für Häftlinge am Kohnstein extrem schlecht. Bei Ankunft der ersten Häftlingsgruppe aus dem KZ Buchenwald im August 1943 gab es vor Ort noch keine Unterkünfte für die Häftlinge. Zunächst waren die Häftlinge provisorisch in einem Zeltlager am Kohnstein untergebracht und später unter inhumanen Bedingungen in der Stollenanlage selbst. Ein oberirdisches Häftlingslager wurde erst nach dem Anlaufen der V2-Produktion errichtet. Die meisten Gefangenen, die bis Anfang 1944 am Bau der Raketenfabrik beteiligt waren, wurden von der SS rund um die Uhr in den Tunneln gehalten. Die Häftlinge wurden gezwungen, in den ersten vier Seitenkammern „Schlafstollen“ für sich einzurichten. In den ersten Monaten starben bereits Tausende von ihnen an Entkräftung, Unterernährung, wegen der katastrophalen sanitären Bedingungen sowie an Lungenkrankheiten, hervorgerufen durch den Staub der Sprengungen. Diese erfolgten tagsüber und nachts, so dass nicht einmal ein geregelter Schlaf in den Stollen möglich war. In dieser ersten Phase war auch die medizinische Versorgung der Häftlinge unzureichend. Eine Stollen-Kammer war als Ambulanz eingerichtet worden, was jedoch nicht ausreichte, um die Kranken zu behandeln. Bis die Raketenproduktion im Mittelwerk im Frühjahr 1944 voll anlief, starb etwa ein Drittel der am Kohnstein eingesetzten Häftlinge an den inhumanen Versorgungs- und Lebensbedingungen. Von den ungefähr 60.000 Zwangsarbeitern starben mindestens 20.000, die meisten davon vor Errichtung des Barackenlagers. Im Sinne der Vernichtung durch Arbeit war dies von der SS durchaus gewollt.
Rüstungsproduktion und weitere Bauten
Die Produktion der V2 im „Mittelwerk“ unter dem Kohnstein begann im Januar 1944, ein halbes Jahr nach der Gründung des Außenkommandos „Arbeitslager Dora“. Während nach Einrichtung des benötigten Maschinenparks und Verlegung von Fachpersonal nach Niedersachswerfen die Produktion der Rüstungsgüter anlief, wurde das Stollensystem kontinuierlich erweitert. Im Schnitt waren etwa 5.000 Häftlinge bei der V2-Montage unter Aufsicht von circa 3.000 Zivilangestellten beschäftigt.
Im Sommer 1944 kam zusätzlich noch die Produktion der Flügelbombe V1 hinzu. Des Weiteren produzierten die Firmen Heinkel und Junkers in den unterirdischen Stollen Flugzeuge bzw. Flugzeugmotoren. Bis zur kriegsbedingten Einstellung der Raketenproduktion Ende März 1945 wurden insgesamt etwa 6.000 V1-Raketen und ungefähr die gleiche Anzahl an V2-Waffen gefertigt.
Als Produktionsstätte für Rüstungsgüter war das Mittelwerk die größte unterirdisch gelegene Rüstungsfabrik des Zweiten Weltkrieges. Der Großteil der Häftlinge war jedoch nicht in der Raketenproduktion, sondern beim Stollenbau für die Untertageverlagerung weiterer Betriebe und dem Aufbau zusätzlicher Außenlager im Harz eingesetzt.
Barackenlager und oberirdische Anlagen
Nach dem Anlaufen der V2-Produktion Anfang 1944 wurden die bis dahin überwiegend in den „Schlafstollen“ untergebrachten Häftlinge schrittweise in ein ebenfalls durch Häftlinge errichtetes oberirdisches Barackenlager in der Nähe der Tunneleingänge am Fuße des Kohnsteins verlegt, auf das der Name des „Arbeitslagers Dora“ übertragen wurde. Die letzten Häftlinge verließen die Schlafstollen Anfang Juni 1944 – falls sie bis dahin überlebt hatten.
Das seit Anfang 1944 in mehreren Bauabschnitten errichtete Häftlingslager am Fuße des Kohnsteins war durch einen mit Starkstrom geladenen Stacheldrahtzaun mit Wachtürmen umgeben. Im Unterschied zu den meisten anderen großen Konzentrationslagern hatte das improvisiert eingerichtete Lager Dora kein massives Torgebäude. Den Übergang vom SS-Bereich in das Häftlingslager markierte ein Holzgatter, das zwischen zwei langgezogenen hölzernen Baracken der SS lag.
Innerhalb des Häftlingsbereichs befanden sich der Appellplatz sowie zuletzt 70 aus Holz errichtete Baracken für Zwangsarbeiter, welche sich in Wohn- und Funktionsbaracken gliederten. Zu letzteren zählten die Wirtschaftsgebäude wie die Lagerküche, das gemauerte Heizhaus und die Lagerwäscherei, aber auch das aus Ziegeln errichtete Lagergefängnis mit einer daran angeschlossenen, von außen nicht einsehbaren Hinrichtungsstätte. Wie in einigen anderen Konzentrationslagern gab es auch im Lager „Dora“ ein Lagerbordell, von dem noch heute Reste erhalten sind (Lagerplan Nr. 29). Zu diesem Zweck wurden weibliche Häftlinge aus dem KZ Ravensbrück zur Prostitution gezwungen. Bezahlt wurde im Bordell mit Lagergeld. Diese Einrichtung galt als „Antriebsmittel für höhere Leistungen“, war aber bei manchen Häftlingen verpönt.
Vom Bereich der Wohn- und Funktionsbaracken abgetrennt und innerhalb einer eigenen Umzäunung lagen das aus mehreren Baracken bestehende sogenannte Häftlingskrankenrevier sowie das auf einer leichten Anhöhe über dem Häftlingslager gelegene und im Herbst 1944 fertiggestellte lagereigene Krematorium mit Sezierräumen und zwei Verbrennungsöfen der Berliner Firma Kori. Etwa 5.000 Leichen wurden hier verbrannt, die Asche wurde neben dem Krematorium einen Abhang hinabgekippt. Bis zur Errichtung dieses Krematoriums wurden die im Lager „Dora“ verstorbenen Häftlinge zur Einäscherung ins KZ Buchenwald zurückgebracht.
Unmittelbar vor dem Zugang zum Häftlingslager lag der sogenannte „SS-Bereich“, in welchem sich außer der Kommandantur und den Garagen die Unterkünfte für die SS-Wachmannschaften sowie die Wirtschafts- und Verwaltungseinrichtungen des Lagers befanden. Mit dem Anlaufen der V2-Produktion wurde an den SS-Bereich benachbart ein „Industriebereich“ ausgebaut, in dem sich der Lagerbahnhof mit Rangiergleisen und die Zugänge zu den Fahrstollen A und B der Stollenanlage mit dem Mittelwerk befanden. Das Lagergelände am Fuße des Kohnsteins bestand somit bei Kriegsende aus vier voneinander getrennten Großabschnitten.
Befreiung und unmittelbare Nachkriegszeit
Der Lagerstandort „Dora“ wurde schließlich am 11. April 1945 durch die 1. US-Armee befreit, allerdings kam für die Mehrheit der Häftlinge die Hilfe zu spät, da sie sich nach der Evakuierung des Lagers weiterhin in der Gewalt ihrer Bewacher befanden und erst später befreit werden konnten. Die Baracken des Häftlings- und SS-Lagers standen anschließend für mehrere Wochen so gut wie leer; die vorgefundenen Häftlinge wurden in Lazaretten betreut.
In der Stollenanlage im Kohnstein sicherten britische und amerikanische Spezialeinheiten nach der Befreiung des KZ Mittelbau Material und Maschinen aus dem Mittelwerk. Sie erbeuteten dabei etwa 100 V1 und V2, die in die USA transportiert wurden. Nachdem die Amerikaner am 1. Juli 1945 Thüringen an die sowjetische Militärverwaltung übergeben hatten, wurden unter sowjetischer Leitung vor Ort ein Jahr lang Flugkörper, Motoren und Turbinen weiter gebaut. Dann demontierten Angehörige der Roten Armee die verbliebenen Maschinen und Material des Mittelwerks und der Zulieferbetriebe und verbrachten diese in die Sowjetunion. Nachdem die Sowjets die Demontage der Anlagen beendet hatten, versuchten sie, das komplette Stollensystem unter dem Kohnstein zu sprengen. Die im Sommer 1947 vorgenommene Sprengung schlug jedoch fehl, daher wurden nur die Stollenzugänge zerstört.
Nach der Räumung des Inventars durch US- und Sowjet-Spezialisten dienten die Baracken des Lagers kurzzeitig als Flüchtlingsunterkunft für befreite Zwangsarbeiter sowie als Lazarett. Von Ende 1945 bis Ende 1946 brachten deutsche Behörden Vertriebene aus der Tschechoslowakei im Lager unter („Umsiedlerlager Dora“). Am 11. April 1946, dem ersten Jahrestag der Befreiung, wurde am Krematoriumsgebäude des ehemaligen Hauptlagers „Dora“ von der sowjetischen Besatzungsmacht ein Mahnmal errichtet.
Ab dem Frühjahr 1947 ließen deutsche Behörden schließlich die Baracken demontieren und als Behelfsunterkünfte im Landkreis sowie in der durch den Krieg zerstörten Stadt Nordhausen aufstellen.
( Quelle: Wikipedia )
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